1. Brasilien ist nicht nur der Gewinner des Confed-Cups, Brasilien hat auch seine Ambitionen untermauert, nach einigen verkorksten Jahren wieder einen WM-Titel einzufahren. Die Fans könnten es wohl dieses Mal nur schwer verzeihen, wenn auf der WM-Feier am Ende Tiki-Taka, Tango Argentino oder gar die deutsche Version des Ententanz statt Samba getanzt wird. An Stars mangelte es für dieses Unterfangen noch nie, aber unter Scolari ist erstmals wieder eine Spielidee zu erkennen. Individualisten wie Silva, Neymar, Oscar, Hulk, Marcelo, Danni Alves etc. (ich könnte nun eigentlich fast den gesamten Kader aufzählen) tun ihr Übriges dazu. Es hat zu großen Teilen Spaß gemacht diesem Team zuzusehen.
2. Neymar steht vor einem Jahr voller Beweislasten. Beweise, dass er den Ansprüchen im europäischen Spitzenfußball gerecht werden kann und nicht nur ein mit Vorschusslorbeeren überhäuftes ewiges Talent bleibt. Das Turnier hat gezeigt, dass er auf ordentlichem Niveau – das war bei den Wetterbedingungen nicht selbstverständlich und sollte durchaus berücksichtigt werden – eine gute Rolle spielen kann. In diesem Turnier war seine Rolle bereits weit besser als einfach nur gut. Dieser Wettbewerb hat aber auch gezeigt, dass in ihm teilweise ein absoluter Schönwetter-Fußballer mit großem Hang zur Schauspielerei steckt. Junge, raff dich und zeig uns, was du am Ball kannst. Dass die Schwerkraft bei dir oftmals etwas stärker zum Tragen kommt als bei anderen, nervt! Und DU, lieber Neymar, hast das doch nicht nötig, denn du bist gesegnet mit so viel gottgegebenem Talent – und das ist genau das, was wir – oder zumindest viele von uns Fans – sehen wollen. Ich muss mittlerweile gestehen: Ich glaube voll an Neymar!
3. Fußball verbindet, macht Laune und animiert im Erfolgsfall zu einer großen Party. Aber Fußball wird auch als Politikum genutzt – und das vollkommen zu Recht. Denn wo sonst findet man so eine große Zuhörerschaft für das Leid so großer Teile eines Landes, wenn nicht beim Fußball. Brasilien ist nicht nur Copacabana, Karneval und Joga Bonito. Brasilien ist auch ein Land des großen Ungleichgewichts zwischen Arm und Reich. Korruption und ausufernde Kosten für die WM lassen sich vom Fußball zwar kurzzeitig ausblenden, aber auf Dauer müssen echte Lösungsansätze her, um diese Probleme zu beseitigen.
4. Spanien ist nicht unschlagbar. Ich will hier gar keine tiefen Gräben ausheben, denn der Titel wird nach wie vor nur über die Furia Roja gehen, aber die Dominanz der Spanier scheint etwas kleiner geworden zu sein. Sie sind zu schlagen – und das auch in K.O.-Spielen. Nationen wie Brasilien, Deutschland, Italien oder Argentinien können bei der WM sicherlich auf Augenhöhe mit Spanien konkurrieren. Allerdings darf man sich von den mäßigen Auftritten der Spanier aus dem Halbfinale und dem Endspiel nicht blenden lassen. Die Spieler sind sicherlich nicht an ihre Grenzen gegangen und das Team wird noch durch einige tolle Talente verstärkt, die als frisch gebackener U-21-Europameister mit einer Menge Selbstvertrauen zum Team stoßen werden. Tiago und vor allem Isco… oh man, dieser Spieler ist jetzt schon der absolute Mega-Hammer, werden uns bald sicher noch mehr Freude machen, als sie es jetzt schon tun.
5. Italienischer Fußball ist alles, aber längst nicht tot. Totgesagte leben länger oder was auch immer. Fakt ist: Italien hat ein Zuschauerproblem. Zu wenig und teilweise zu extrem in einigen Gesinnungen. Fakt ist aber auch, dass das mit der Qualität der Liga und vor allem mit der Qualität der italienischen Nationalspieler nichts, aber auch gar nichts zu tun hat. Mit dieser Meinung werde ich polarisieren, aber das ist mir egal. Nach 2010, als Lippi auf seine WM-Helden von 2006 baute, konnte man als externer Betrachter den Eindruck gewinnen, dieses Land hätte keine Nachwuchskräfte, wäre satt und würde vom „modernen“ Fußball regelrecht überrollt werden. Mindestens tot für die nächsten 8-10 Jahre, vielleicht sogar 100… Bullshit… Wir reden von einem Land, das viermaliger Weltmeister ist und das – ähnlich wie Deutschland – ein Turnierteam ist, das auch mit mäßigen Spielern über ein gesundes Kollektiv immer schwer zu schlagen sein wird. Hinzu kommt die überragende Grundausbildung der Spieler im individualtaktischen Bereich. Spiele wie das Halbfinale gegen Spanien zeigen, dass Italien unter Cesare Prandelli nicht nur Catenaccio ist und dass aus diesem Land tatsächlich auch richtig starke Fußballer kommen. Welch eine bahnbrechende Erkenntnis!?! Ich wollte es ja kaum glauben… Aber Italien bleibt eben auch das Land der zwei Gesichter, und das liegt an der gottgegebenen (gesunden?) Arroganz des Italieners. Der Italiener ist nicht nur unheimlich stolz, nein, er nimmt sich auch das Recht heraus, einen Gegner wie Japan einfach nicht ernst zu nehmen und dieses Spiel mit 50 Prozent gewinnen zu wollen. Das ist dann wohl so etwas wie das Sterben im Hauch der Selbstüberschätzung… Sollte sich Italien für die WM-Endrunde qualifizieren – wovon auszugehen ist – dann steigen die Chancen auf einen Titel parallel zu der Qualität der Gegner. Sollten in der Vorrunde also nicht schon so Kracher wie Tunesien, Südkorea und Neuseeland warten (bei allem Respekt vor den Ländern), dann muss man die Azzurri aber sowas von auf dem Deckel haben!
6. Die Fans im Stadion sind Licht und Schatten zugleich. Auf frenetische Anfeuerung folgten oft auch viele Momente der Stille. Das konnte man selbst bei den Spielen der Brasilianer teilweise erkennen. Und zwar dann, wenn das Spiel der Selecao mal ein wenig in den Leerlauf schaltete. Da ist man aus der Bundesliga doch oftmals besseres gewöhnt. Im Hinblick darauf, dass bei der WM noch mehr dieser sogenannten Event-Fans aufschlagen werden, hoffe ich einfach mal, dass die „echten“ Fußballverrückten die Hütten einfach doppelt und dreifach abreißen und wenigstens dazu im Stande sind, 90 Minuten durchzufeiern. Einen Hingucker möchte ich vor allem für die männlichen Zuschauer nicht außen vor lassen, denn bei diesem Turnier geizten vor allem auch die weiblichen Fans nicht mit ihren Reizen. So waren auch teils schleppende Spielphasen ganz gut zu ertragen – den Bildregisseuren sei Dank.
7. Luiz Gustavo ist für die Bayern-Startelf wohl nicht gut genug. In Brasilien schenkt ihm sein Coach Felipe Scolari deutlich mehr vertrauen. Und Gustavo dankt es ihm als kompromissloser Abräumer vor der Abwehr, der sogar mit einer cleveren Spieleröffnung glänzen konnte. Für die WM könnte er ein wichtiger Mosaikstein im Gesamtbilde der Selecao sein. Was ihm da vielleicht im Wege stehen könnte – Schweinsteiger und Martinez…
8. Jogi Löw und Co. dürften auch als Nicht-Teilnehmer einen nützlichen Eindruck von den potentiellen Mitstreitern und den Bedingungen während der WM, sei es klimatisch und atmosphärisch, gewonnen haben. Der Eindruck, den ich habe, ist der, dass die Chancen noch nie so groß waren, in Südamerika einen europäischen Weltmeister zu stellen. Brasilien und Argentinien werden dort traditionell stark sein, aber Europa hat die technischen Nachteile, die man einst gegenüber den Südamerikanern zu haben schien, nahezu gänzlich ausgemerzt. Taktisch sehe ich die Länder ohnehin eine Naselänge weit vorn. Selbst in Deutschland spricht doch kaum mehr einer von typischen deutschen Tugenden. Spieler wie Reus, Götze oder Draxler könnten anhand ihrer Behandlung der Bälle doch genauso gut als Brasilianer durchgehen. Das einzige, was da wohl fehlen würde, ist die Namensendung auf „inho“ – und tadaaa! – haben wir unsere 23 weißen Brasilianer im Land – was Ansgar Brinkmann wohl dazu sagt?!?
9. Tahiti ist das geilste Land der Welt. Als Amateurteam in Hawaiihemden angereist, den einzigen Turniertreffer gefeiert, als wäre man Weltmeister geworden, bei den größten Abschlachtspektakeln stets ein Lächeln im Gesicht und selbstgebastelte Strandketten für die Gegner! Das hat einfach nur Laune gemacht und auch wenn sie fußballerisch selten glänzten – Tahiti war für den Confed-Cup definitiv ein Zugewinn.
10. Es war eben nur der Confed-Cup. Ein Vorbereitungsturnier. Und ein Titel, der für Brasilien nichts mehr wert ist, wenn man die WM vergeigt. Also: Abwarten, Tee trinken und auf eine tolle WM-Endrunde 2014 in Brasilien hoffen. Wer Weltmeister wird? Ich weiß es nicht, ich vermute nur, dass es Tahiti nicht wird…
Giuseppe Cotrufo
Unsere Online Talksendung „Eng am Ball“ – Aktuelles Thema: Was ist los im Pott?
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