Tradition, was ist das eigentlich? Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Lateinischen. Das „Tradere“, sprich: das Überliefern von Handlungsmustern und Glaubensvorstellungen. Okay, hätten wir das schon einmal geklärt. Aber genauso altbacken wie die lateinische Sprache an sich, scheint auch die Bedeutung traditioneller Werte für die heutige Zeit. Heute, in der Moderne mit Weitsicht in Richtung Zukunft, muss alles schneller, besser und effektiver sein als früher. Auch wenn früher doch alles noch sprichwörtlich besser war, schert man sich heute einen feuchten Kehricht um die Beibehaltung alter Werte, Normen und Grundvorstellungen. Ein Muster, das sich auch im Fußball – ich könnte jedes Mal auf´s Neue drauf losheulen – wiederfindet.
Ich bin nicht konservativ und doch ein Traditionalist! Klingt paradox, aber es gibt doch eine strikte Trennung meiner Vorstellungen von Alltagsverhalten und meiner Auslebung einer gewissen Form von Fußballaffinität. Ich habe einen Verein, sympathisiere mit vielen Spielern und anderen Vereinen und freue mich, nein, ergötze mich quasi an jeder Aktion auf und abseits des Fußballplatzes, die mich begeistert, die mir Vergnügen bereitet oder mich gar auf jede erdenkliche emotionale Art und Weise berührt. Das ist toll, das ist Fußball.
Doch bin ich ein Freund der Tradition – im Fußball. Wieso? Weil vor allem der Fan einen großen Teil der Faszination im Fußball ausmacht und dieser im Vergleich zu einem Fußballer vor allem eines NICHT ist – käuflich! Ein Fan ist allzeit loyal und seiner großen Liebe, dem Verein, auf ewig treu. Doch nicht der einzelne Fan fasziniert mich, sondern die große Gemeinschaft im Stadion, die mit Choreos begeistert, das letzte Geld für die Dauerkarte hergibt, sich Herz und Seele aus dem Leib schreit, um den Verein nach vorne zu peitschen! Ein Gebilde, das über Jahre entstanden ist und zu erstklassigem Fußball gehört, wie die erstklassigen Spieler selbst. Wie gesagt: Über viele Jahre entstanden, Tradition halt. Und sowas geht beispielsweise nicht in Hoffenheim… Versteht ihr worauf ich hinaus will? Vereine ohne echte Geschichte, ohne Seele, mit künstlich erschaffener Wirtschaftskraft. Das nahezu pompöse Fantum aus Dortmund, Schalke, Lautern etc. ist eben nicht käuflich! Ich bin nicht so naiv zu denken, dass diese Entwicklung nicht weitergehen wird, aber gutheißen muss ich sie ja trotzdem nicht. Fußball ist eben mehr denn je Geschäft und Politik geworden… Vergangenheit ist vergänglich, und sie zahlt ja schließlich auch kein Geld… Wozu daran festhalten? So dürften wohl die etwas mächtigeren Leute in diesem Business denken.
Vereine ohne Seele sind moderner Fußball. Natürlich meine ich damit nicht die spielerische Ebene, sondern die historische. Und eben jener moderner Fußball ist eben das Ableben der Tradition, die ich über die Jahre so liebgewonnen habe. Für traditionsbewusste Fans ist das eben keine schöne Entwicklung – vor allem ist sie aber ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die Jahre lang auf vielen Gebieten ordentliche Arbeit vollbracht haben. Was nützt jahrzehntelanges, seriöses Wirtschaften heute noch, wenn plötzlich irgendwo ein Oligarch oder Scheich auftaucht, einem Verein versucht eine Scheinidentität aufzudrücken und dafür sorgt, dass Spieler heute als Handelsware für Mondpreise über die Ladentische gehen. Ein Edinson Cavani für 64 Millionen oder ein Radamel Falcao für 60 Millionen. Das Schlimmste: Die Abnehmer heißen nicht Bayern München, Real Madrid oder Barcelona, sondern Paris und Monaco… Auch bekannt als Nabel der Fußballwelt – schon immer, und noch davor… Könnte da noch so manch andere Vereine aufzählen, aber ihr werdet wissen, was da nun kommen würde. Aber auch wenn der Abnehmer nun Bayern München heißen würde, würde ich um Bauchschmerzen bei diesen Ablösesummen nicht drumherum kommen. Wieso ich das nochmal besonders betone? Vielleicht ja wegen des sich anbahnenden Deals zwischen den Tottenham Hotspurs und Real Madrid. Da soll der Gareth Bale – zweifelsohne einer der begnadetsten Kicker unserer Zeit – für mehr als 100 Millionen Euro den Verein wechseln! Krank! Verrückt!
Zurück zu Cavani und Falcao. Die Qualitäten der Spieler schätze ich absolut, auch wenn ich ihren persönlichen Mehrwert der Wechsel aus sportlicher Sicht nicht nachvollziehen kann. Und doch muss ich gestehen, dass ich auch etwas Verständnis für die Spieler habe. Bei allem Echauffieren, wieso sie sich nicht den besten, traditionsreichsten Vereinen der Welt anschließen, muss man einsehen: Geld regiert die Welt, so blöd und abgedroschen es auch klingen mag. Und ganz ehrlich: Würde mir einer so ein exorbitant hohes Gehalt anbieten, dann würde ich wahrscheinlich die nächsten fünf Jahre auch Schaafe auf dem Himalaya hüten oder sonst was tun… Dabei reden wir aber sphärentechnisch von anderen Gehaltskategorien, die zwischen mir und den besagten Herren liegen…
Wäre ich ein Fußballer, so rede ich es mir zumindest immer ein, würde ich auch drei statt sechs Millionen im Jahr nehmen, wenn ich dafür bei einem entsprechenden Verein mit einer großen Historie unterkäme. Wie gut muss es sich anfühlen für Spieler wie Ryan Giggs in Manchester, Steven Gerrard bei Liverpool oder Paolo Maldini in Mailand so einen Heldenstatus erreicht zu haben. Ich könnte natürlich noch einige weitere aufzählen! Ist aber müßig darüber zu spekulieren, da ich nie vor dieser Entscheidung stehen werde. Aber solange ich denke, dass ich es so handhaben würde, kann ich immerhin ein bisschen Unverständnis für diese Karriereschritte aufrechterhalten.
Im Prinzip warte ich für die Zukunft nur noch auf folgende Aussagen bezüglich meiner deutschen Dornen im Auge:
Neymar: „Die TSG 1899 Hoffenheim war schon immer mein Traumverein und mit dem Wechsel geht ein Wunsch für mich in Erfüllung.“
Ibrahimovic: „Ich habe als Kind schon in der Bettwäsche von RB Leipzig geschlafen.“ Ahja, wahrscheinlich wussten die Herren aus dem Land der Billo-Billy-Regale schon damals, was 2009 auf uns zukommen würde…
Sorry Hoffe, sorry Leipzig, aber wie sage ich es euch am besten? Ich finde Bundesliga und ihr, das passt einfach nicht so richtig zusammen. Liebe TSG wir haben uns mit der Zeit einfach auseinandergelebt und lieber RB Leipzig wir sollten es gar nicht erst so weit kommen lassen, dass wir uns auseinanderleben… Aber hey, wir können Freunde bleiben und so!
Sei´s drum. Fußball bleibt einfach mein Sport und meine Werte auf ewig inkompatibel zur heutigen Gelddruckmaschine Fußball. Ändert nichts daran, dass mich dieser Sport als Liebhaber und Dauernörgler zugleich nicht mehr loswird. Ich habe mich damit arrangiert, da nichts anderes Sinn macht. Im Endeffekt überwiegt auch immer noch die pure Freude, die mir dieser Sport so oft bereitet – und das ist auch gut so. Wenn´s mich dann irgendwann mal wieder überkommt und ich meinem Unmut Luft machen muss, verfass ich einfach wieder ein paar Zeilen und hole mir gerne wieder so manchen Rüffel für meine traditionelle Sicht der Dinge bei euch ab.
P.S. Die Erde ist eine Scheibe und den Weihnachtsmann gibt es wirklich, wie spätestens seit „Das Wunder von Manhattan“ bewiesen sein dürfte!
Giuseppe Cotrufo
Übrigens ist unsere Doku hier online:
24. Juli 2013 at 07:52
…und trotzdem träume ich manchmal davon, „meinem kleinen Verein“ auch mal ne Million zuschieben zu können – so nach nem Lotto-Gewinn oder so (wenn ich denn spielen würde), damit mein 1899er ÜBERLEBT… 😉