Es gibt ja so Turniertypen, die auf dem Papier wenig spektakulär aussehen, aber dennoch Jahr für Jahr eine ungemeine Spannung und Dramatik entwickeln. Die Bundesliga zum Beispiel ist ja prinzipiell gar nichts anderes als eine Ansammlung von 18 Clubs, die je zweimal gegeneinander spielen und dann nach Erfolg tabellarisch sortiert werden – und am Ende gewinnen die Bayern (oder halt diejenigen, die die meisten Punkte haben, sollten es ausnahmsweise nicht die Bayern sein).

Klingt erst einmal nicht so spannend…ist es aber!

Dann wiederum gibt es Arten von Turnieren, die in der Theorie gut klingen, bei der Umsetzung in der Praxis dann aber doch eher langweilen. Das galt lange Zeit für den Confed-Cup: Nette Idee, System wie bei einer WM, Teilnehmerfeld gut gemischt, dazu noch im Gastgeberland der kommenden WM – klingt doch eigentlich ganz geil, oder? War in der Vergangenheit dann aber oft mangels Ernsthaftigkeit der Teilnehmer dann doch eher mal nur so semi-gut. Wobei sich das zum Glück, siehe dieses Jahr, gebessert zu haben scheint.

Tja, und dann gibt es da noch diese Turniere, die einfach vom reinen Konzept her eine Großartigkeit in sich haben, dass man sie einfach liebhaben muss, selbst wenn in dem ein oder anderem Jahr mal die ganz große Dramatik ausbleibt: Man kann eben auch nicht alles planen. Für mich zählt der DFB-Pokal zu dieser Art von Turnier: erbarmungslose K.O.-Matches, in denen Helden geboren werden (oder vom Thron stürzen), Außenseiter gegen Giganten und dazu noch ab der zweiten Runde: Keine Garantie für gar nix! Keine Setzlisten, Gruppenköpfe, Lostöpfe und ähnliche Spielereien mehr – jeder kann jeden erwischen und muss damit leben. Dortmund-Bayern in Runde 2? Tja, Pech (für denjenigen, der sich frühzeitig vom ersten größeren Titel verabschieden muss)! Die Chance, sich auch als kleinerer Club für Europa zu qualifizieren, indem man im Idealfall „nur“ bis ins Finale vorstoßen muss? Die 5-Jahres-Wertungs-Puristen mögen schon beim bloßen Gedanken daran, dass „wir“ nächstes Jahr von Union Berlin oder dem FSV Frankfurt international vertreten werden könnten, Angstschweiß bekommen und sich in den Schlaf weinen – ich finde die schiere Möglichkeit brillant!

Gut, zugegeben: In den letzten anderthalb Jahrzehnten, ging der Trend was den schlussendlichen Gewinner(!) angeht, eher zu einem etwas eintönigen Bild (Kollege Bach geht in seinem Artikel übrigens auch darauf ein): Bayern, Schalke, vielleicht mal Bremen. Dazwischen dann noch mal Ausreißer wie Nürnberg oder Stuttgart. Aber zum einen spricht das ja aus meiner Sicht auch dafür, dass die großen Clubs den Wettbewerb sehr ernst nehmen. Und zum anderen ändert es ja nichts daran, dass durch die Finalteilnahme-Option so manch anderer Club das Europa-Ticket lösen konnte, der es sonst vielleicht nicht automatisch in der Tasche gehabt hätte.

Ja, ich liebe den Pokal. Dass der Verein meines Herzens, der Erste Fußballclub Köln, zu Zeiten meines Fandaseins dort bisher nichts Nennenswertes gerissen hat – geschenkt! Beim letzten Pokalsieg 1983 war ich zwei Jahre alt; bei allem Enthusiasmus kaum ein Alter, in dem ich genug von der Glorie des Moments mitbekommen habe, um davon eines Tages noch meinen Enkeln zu erzählen.

Stattdessen kann ich, wie fast jeder andere Fan, Instanzen aufzählen, an denen die Tragik des Pokals voll zugeschlagen hat und meinen Club (natürlich ungerechtfertigt – is‘ klar, oder?) von einem unterklassigen Gegner gnadenlos aus dem Wettbewerb gefegt hat: Erstrundenaus gegen Kickers Offenbach, den 1.FC Magdeburg, Werders Zweite oder die SpVgg Beckum(!), Halbfinalaus gegen die damals (1995) noch zweitklassigen Wolfsburger oder aber 2010 das bittere Viertelfinalaus gegen Torsten Kinhöfer,…äh ich meine natürlich: den (ebenfalls noch zweitklassigen) FC Augsburg.

Und doch: Auch wenn wir alle diese Geschichten kennen und dieser Wettbewerb uns Jahr für Jahr wieder beweist, dass dort nun einmal so ziemlich alles passieren kann – letztes Jahr hat mich etwa das 4:0 des Berliner AK gegen Hoffenheim mal wieder gelehrt, dass ich eben fußballtechnisch doch noch nicht alles gesehen habe – gehen wir doch trotzdem alljährlich zum Start des Ganzen immer wieder davon aus, dass es „uns“ doch ganz gewiss nicht erwischen wird. Kann doch gar nicht sein, oder? Eintracht Trier muss man doch schlagen, nicht wahr? Hm, und schon reibt man sich wegen der Hoffnung auf genau diese Einstellung des Gegners in Neckarsulm, Neustrelitz, Wilhelmshaven oder Rehden die Hände und lacht finster…

Naja, vielleicht auch nicht. Vermutlich lacht man eher freundlich über die ungewohnten Einnahmen und darüber, mal für 90 Minuten über die Stadtgrenzen hinaus in den Fokus zu rücken, als dass man sich ernsthaft Hoffnung macht, Germany’s next Vestenbergsgreuth, Weinheim oder Eppingen zu werden.

Vielleicht ist diese totale Unberechenbarkeit auch der Grund dafür, dass sich zwar für jeden x-beliebigen Bundesliga-Spieltag mindestens ein Dutzend C-Promis finden, die ihre „Expertentipps“ abgeben und jeder Fan sich seine eigene Tipprunde sucht, aber kein Mensch zu trauen scheint, einfach auch mal nur zum Spaß eine Prognose für die erste Pokalrunde abzugeben. Aber da wir von „Hauptsache Fußball“ ja bekanntlich tollkühne Grenzgänger sind, lehne ich mich jetzt mal ganz weit aus dem Fenster und probiere mich tatsächlich an einer Prognose des kaum zu Prognostizierenden…und setze mich vermutlich komplett in die Nessel. Sei’s drum: So könnte es in den kommenden Tagen ablaufen:

Freitag:

1.FC Heidenheim – 1860 München 3:2 (evtl. nach Verlängerung)

VfL Osnabrück – Erzgebirge Aue 1:2

RB Leipzig – FC Augsburg 2:0 („RasenBallsport“ mit dem ersten Ausrufezeichen)

Samstag:

Sportfreunde Baumberg – FC Ingolstadt 1:4

SG Aumund-Vegesack – TSG Hoffenheim 0:4

Neckarsulmer SU – Kaiserslautern 1:3

Fortuna Köln – Mainz 05 1:2

TSG Neustrelitz – SC Freiburg 0:4

1.FC Magdeburg – Energie Cottbus 2:1

SV Wilhelmshaven – Borussia Dortmund 1:6

Bahlinger SC – VfL Bochum 1:4

SV Lippstadt – Bayer Leverkusen 1:0 (zähes Spielchen, übles Mauern und am Ende ein glückliches Tor)

TSV Rosenheim – VfR Aalen 1:2

Eintracht Trier – 1.FC Köln 1:3 (weil nicht sein kann, was nicht sein darf;-))

Karlsruher SC – VfL Wolfsburg 2:1 (die Wölfe noch nicht voll auf der Höhe, der KSC schon zwei Wochen dabei und mit mächtig Bock nach der Rückkehr in den Profifußball)

Sonntag:

TSG Pfeddersheim – Greuther Fürth 0:3

1.FC Saarbrücken – Werder Bremen 1:3

Darmstadt 98 – Mönchengladbach 1:3

Arminia Bielefeld – Eintracht Braunschweig 2:0 (ähnlich wie oben bei Wolfsburg: motivierter Zweitliga-Rückkehrer im Spielbetrieb gegen eine Mannschaft, für die das große Abenteuer erst eine Woche später beginnt)

Victoria Hamburg – Hannover 96 1:5

SCHOTT Jena – Hamburger SV 2:0 (Hamburg immer mal für einen Ausrutscher gut)

SC Wiedenbrück – Fortuna Düsseldorf 1:4

Optik Rathenow – FSV Frankfurt 0:3

BFC Dynamo – VfB Stuttgart 1:3

VfR Neumünster – Hertha BSC 0:3

FV Illertissen – Eintracht Frankfurt 0:2

Preußen Münster – FC St.Pauli 2:1

SV Sandhausen – 1.FC Nürnberg 3:0 (der Glubb völlig überrascht und nervös nach frühem Rückstand)

 

Montag:

MSV Duisburg – SC Paderborn 2:1

Jahn Regensburg – Union Berlin 1:3

FC Nöttingen – Schalke 04 1:2 (zähes Match mit glücklichem Ende für S04; Kandidat für Verlängerung)

BSV Rehden – FC Bayern 0:9 (Bayern will direkt ein Statement setzen…nach früher Führung lockeres Spiel)

Marco Jankowski

P.S.: Doku-Time! Warum nicht die Zeit bis zum Pokalstart mit einem Blick „hinter die Kulissen“ vertreiben? Der vierte Teil unserer Dokumentation „HAUPTSACHE FUSSBALL – JUNGE PROFIS AUF DEM WEG INS SPIEL“ ist seit gestern frei empfänglich per YouTube-Stream: