„Na, wie fühlt sich das an?“ Fast schon ironisch wurde ich am Montag Morgen auf der Arbeit begrüßt. Was passiert war? Werder hat´s geschafft, endlich wieder ein Dreier in der Bundesliga. „Das ist das Ding“, hab ich mir am Wochenende nur gedacht. Die Schale? Schön wär´s. Die ist an der Weser derzeit so realistisch wie eine Beziehung zwischen Vanessa Huppenkothen und Willi Lemke. Aber ein einfacher Sieg fühlt sich auch mal wieder ganz gut an. Zweitgenannter ist derzeit übrigens gar nicht so angetan von der negativen Presse, die er derzeit rund um seine Arbeit „ertragen“ muss. „Man suche nur nach einem Sündenbock für die derzeitige Werder-Situation“, wird er in diversen Medien zitiert. Ihn alleine an den Pranger zu stellen wäre sicherlich nicht richtig, ihn für seine Handlungen der letzten Jahre zumindest in Frage zu stellen aber sehr wohl. Den leisen Abschied eines einstiegen Top-Vereins aus den Top-Regionen der Liga haben auch andere mitzuverantworten. Sei es die mittlerweile ausgetauschte sportliche Leitung durch diverse Fehleinkäufe und zu hoch dotierte Verträge, ein völlig aus dem Ruder geratener Stadionausbau und Spieler, die ihre Vorgänger qualitativ nicht ersetzen konnten. Solche Dinge lassen sich vielleicht mal nach einer schlechten Saison kompensieren, nicht aber wenn sie zum Dauerzustand seit Jahren werden. Dann ist der sportliche Erfolg für einen Verein wie Werder elementar wichtig! Der ist nun schon seit Jahren nicht mehr da. Umso erstaunter war ich über mich selbst, was ein einziger Dreier bewirken kann. Wie viel Freude er mir immer noch bereitet und wie viel optimistischer ich im Hinblick auf die kommenden Wochen bin. Optimistisch im Kampf um den Klassenverbleib, denn tabellarisch hat sich für meine Grün-Weißen noch nichts geändert – Werder ist Letzter, was nicht nur eine Momentaufnahme ist. Werder hat in diesem Jahr lange nicht überzeugt und muss den Nachweis noch immer erbringen, dass man konstant dazu in der Lage ist, die nötigen Punkte gegen den Abstieg zu holen. Mainz war ein erster Schritt. Viel wichtiger waren für mich die Entscheidungen, die davor getroffen wurden. Mit Bode für Lemke und Skripnik für Dutt hat der Verein gefühlt wieder ein bisschen mehr Werder-DNA injiziert bekommen. Auch unseren Lutscher (Torsten Frings) wieder zu sehen, bereitet zumindest mir große Freude. Es fühlt sich einfach wieder ein bisschen mehr nach Werder Bremen an.
Vor allem auf dem Trainerposten schien ein Wechsel einfach nötig. Natürlich ist es immer das einfachste den Trainer in einer schwierigen Situation abzusägen, aber letztlich ist Robin Dutt an seinen selbst formulierten Zielen gescheitert. Was er wollte, waren eine stabilere Defensive und ein flexibleres Team, das unterschiedliche Spielsysteme beherrscht. Was er am Ende seiner Amtszeit zurückgelassen hat: die wohl abschlussschwächste Schießbude der Liga, die statt Flexibilität nur Verunsicherung im eigenen Spiel erkennen ließ. Sorry Robin, du warst zwar auf deine Weise ein feiner Kerl, aber für uns einfach nicht mehr tragbar.
Nun ist er da, unser neuer Trainer aus den eigenen Reihen und jeder wünscht sich nun sicher eine zweite Story à la Thomas Schaaf. So viel Druck möchte ich an dieser Stelle gar nicht erst aufbauen und doch fühle mich ein wenig sicherer mit dem Ukrainer auf der Trainerbank. Absolut stoisch, wie er in Mainz auf das frühe 0:1 reagierte. Während die gesamte Bank kopfschüttelnd und wild gestikulierend aufschrak, verzog er keine Miene. Er verharrte in seiner Position: nach vorne gebeugt und nur kurz lässig auf den Boden gespuckt. Hatte ein bisschen was vom osteuropäischen, unerschütterlichen Proll – aber irgendwie sympathisch. Als habe er da schon geahnt, dass der Sieg noch kommen würde, auch wenn er danach das Gegenteil zugab.
Ehrlich gesagt hat es auch in diesem Spiel lange nicht den Anschein gemacht, dass Werder dieses Spiel noch drehen würde. Ich gebe zu: Nach den ersten fünfundzwanzig Minuten hätten die Mainzer mindestens noch ein zweites Tor nachlegen müssen. Das Spiel wäre womöglich anders gelaufen. Haben sie aber nicht. In der Folge gab es bis zur Halbzeit spielerisch dominante Mainzer, die den wichtigen Punch allerdings ausgelassen haben. Werders Glück. Ein Elfmeter aus der Rubrik „Kann man pfeifen, muss man aber nicht“ sowie eine Lebensversicherung mit dem Namen Franco di Santo haben das Spiel vollkommen auf den Kopf gestellt. Nach dieser etwas unerwarteten Führung hat jedoch auch Skripnik gezeigt, dass er was von seinem Fach versteht. An der Seitenlinie strahlte er Souveränität beim Führen seiner Jungs aus, seine Einwechslungen waren taktisch klug und jedes Mal die richtige Antwort auf die Mainzer Wechsel. Er hat in wenigen Tagen gezeigt, dass er willig ist, mit diesem Team das Optimum zu erreichen und den Spielern wieder etwas unabdingbares wiederzugeben: das Vertrauen in die eigenen Qualitäten, auch wenn diese momentan limitiert erscheinen.
Die Schwächen des Teams sind nämlich immer noch unübersehbar. Die Defensive wirkt überfordert und die gesamte Rückwärtsbewegung des Teams nicht optimal aufeinander abgestimmt. Zudem fehlt ein stabilisierender und ballsicherer Sechser mit einer guten Spielübersicht. Dieser Spielertyp fehlt im Kader, es sei denn man würde mit Juno auf dieser Position planen. Der sieht sich dort aber leider nicht so gerne. Zudem fehlt uns für eine wirklich erfolgreiche Rückkehr zur Raute der echte Zehner. Auch hier hat Skripnik ein Zeichen mit dem bereits ausgemusterten Obraniak gesetzt. Er hat zwar noch nicht geglänzt, aber immer wieder in Ansätzen gezeigt, dass er ein feiner Fußballer sein kann. Nach so langer Zeit ohne Pflichtspiel kann und will ich allerdings noch keine Wunderdinge erwarten. Vielleicht platzt der Knoten bei ihm tatsächlich noch. Aber ein Geschmäcke hat die ganze Geschichte um ihn trotzdem, da ich diese öffentlichen Wechselabsichten in so einer schlechten Vereinsphase ein wenig deplatziert fand – sind Wechselbekundungen in der Öffentlichkeit aber ohnehin immer…
Die Tatsache in den letzten beiden Pflichtspielen nur ein Gegentor kassiert zu haben, sollte zusätzlich motivieren, auch wenn der Pokalgegner ein Drittligist war. Wie gefährlich unterklassige Gegner im Pokal sind, können uns sicherlich die Berliner oder die Hannoveraner berichten. Hat Werder die letzten Jahre auch selbst oft genug am eigenen Leibe erfahren müssen. Trotzdem darf auch da nicht vergessen werden, dass Werder mit etwas Pech wieder einem Rückstand gegen die vermeintliche Pflichtaufgabe aus Chemnitz hinterher gelaufen wäre.
Alles in allem bin ich sehr gespannt, wie die nächsten Wochen verlaufen werden. Man kann die Vereinsbrille natürlich nie ganz absetzen, aber ich denke nicht, dass Werder den schwächsten Liga-Kader hat. Das gilt es nun zu bestätigen, auch wenn auf einigen Position sicherlich im Winter nachjustiert werden müsste. Dafür verantwortlich: Thomas Eichin und Rouven Schröder. Vor allem Eichin bekommt derzeit von allen Seiten sein Fett weg, zeigt sich aber auch einsichtig, einige Fehler in der Vergangenheit begangen zu haben. Eichin möchte ich an dieser Stelle gerne noch in Schutz nehmen. Mit so wenig Geld haben andere zwar ein glücklicheres Händchen bewiesen, so falsch ist seine Personalpolitik allerdings nicht. Obraniak bekommt eine neue Chance unter einem neuen Trainer und war mit nachgewiesener Klasse ein möglicher Mehrwert-Transfer. Dass er bisher so floppen würde, war nicht abzusehen. Garcia war im letzten Jahr nach vielen Jahren der Tristesse mal wieder ein Lichtblick für die LV-Position. Logisch, dass er fest verpflichtet wurde. Caldirola hat im letzten Jahr nahezu jedes Pflichtspiel bestritten und dabei mehr überzeugt als Prödl und Luki. Umso ärgerlicher ist sein Formtief in dieser Saison. Einen Hajrovic ablösefrei nach Bremen zu lotsen ist ebenfalls eine gute Option gewesen, genauso wie Bartels. Der Ex-Paulianer überzeugt von den Neuzugängen für diese Saison bisher am meisten, was ihm viele im Vorfeld nicht im Ansatz zugetraut haben. Galvez darf endlich auf seiner Position als Innenverteidiger spielen und zeigt schon gute Ansätze. So etwas wie Spieleröffnung kannte man in Bremen ja spätestens seit dem Abgang von Sokratis nicht mehr von den eigenen Innenverteidigern. Und dann wäre da noch Franco di Santo. Letztes Jahr noch belächelt zeigt er nun, dass er sich endlich akklimatisiert hat und ein feiner Fußballer ist. Preis: ablösefrei.
Was erwartet man in einer Phase, in der man kein Geld zur Verfügung hat? Wenn es nunmal schlecht läuft, ist nahezu jeder Transfer risikobehaftet und jeder neue Spieler hat es automatisch noch etwas schwieriger auch an der Weser eine positive Entwicklung zu nehmen. Niemand gibt einem die Garantie, dass günstige Spieler, die bei anderen Vereinen eingeschlagen sind, auch bei Werder eingeschlagen wären. Das ist alles nur müßige Spekulation, die maximal das Niveau von unterdurchschnittlichem Stammtisch-Palaver hat. Selbst ein Petersen, den ich selbst für eine absolute Fehlbesetzung halte, musste in der damaligen Situation gekauft werden. Makiadi, milde gesagt nicht gerade mein Liebling, kam auf ausdrücklichen Wunsch von Dutt. So hart es klingen mag, aber so viel haben die Neuen da gar nicht falsch gemacht. Sie hatten unglücklicherweise nur etwas mehr Pech als andere, auch wenn mir das nun von vielen als viel zu beschönigende Sicht der Dinge ausgelegt werden wird.
Vielleicht sehe ich aber auch alles nur etwas entspannter, weil ich zwar nicht zur ältesten Fanriege gehöre, aber durchaus auch schon in sehr schlechten Zeiten ein Grün-Weißer war. Die erste Zeit nach Rehhagel war sportlich unterirdisch und hätte unter Magath wohl den traurigen Höhepunkt mit dem Abstieg in die zweite Liga gefunden. Da ordnet man einen Fußballstandort wie Werder vielleicht etwas realistischer ein. Aber ich sage auch: so viele Jahre in der Champions League hätten etwas mehr Nachhaltigkeit in puncto sportliche Wettbewerbsfähigkeit mit sich bringen müssen. So what, hätte alles anders laufen können, ist es aber nicht. Die nächsten Woche werden zeigen, was Skripnik aus dieser Truppe rausholen kann, ob er den ein oder anderen Spieler verpflichten darf und ob es am Ende reicht, um die Klasse zu halten – ich denke schon…
Giuseppe Cotrufo
3. November 2014 at 20:58
Immer wieder schön, deine Gedanken zu lesen – du sprichst mir aus meinem Werder-Herzen!! 😉
Bin mal gespannt, was die näshten Wochen so zusammen kommt, und ob es das Trainerteam schafft, der Mannschaft wieder einenKämpfergeist beizubringen – denn das hat mir unter Dutt am meisten im gesamtbild gefehlt: Leidenschaft und Spass am Fussball!
4. November 2014 at 09:52
Ich hoffe auch, dass Werder die Klasse hält. Hängt alles davon ab, ob Skripnik seine Idee von Fußball mit diesem Kader umsetzen kann – und dahinter steht für mich das größte Fragezeichen:
http://www.zweierkette.de/bundesliga/dutt-entlassung-bremen/
4. November 2014 at 10:22
Hoffen wir alle das Beste 😀 Tery, dir hab ich bei dir im Blog auch nochmal geschrieben 😉 Grüße an euch Zwei
4. November 2014 at 10:35
Noch ist nichts angekommen, bin gespannt 😉
Grüße
4. November 2014 at 13:16
Tatsache, also nochmal hier:
Hey Tery, natürlich darf man Dutt nicht als einzigen an den Pranger stellen, da viele Entscheidungen im Verein von anderen mit- oder gar hauptsächlich getragen wurden. Er hat jedoch auch eine Menge Fehler gemacht. Das Einsetzen vieler Spieler auf völlig falschen Positionen, die damit nicht nur viele neue Spielsysteme lernen sollten, sondern auch auch gleich ein völlig neues Spielerverhalten auf dem Platz, da nunmal fremde Positionen auch unterschiedlich gespielt werden müssen. Einige Spieler kamen auch gar nicht mehr zum Zug während andere nichtmal eine Leistungsberechtigung benötigt haben, um dauerhaft aufgestellt zu werden… Auch ist er ein wenig an der eigenen Zielsetzung gescheitert, denn von Flexibilität im Spiel und besserem Defensivverhalten war rein gar nichts zu sehen. Eher ist Bremen sogar noch zu so etwas wie der abschlussschwächsten Schießbude der Liga degradiert worden. Aufbauspiel und das Beherrschen unterschiedlicher Spielsysteme konnte immer nur bei den Gegnern beobachtet werden. Das war schade, da Dutt sonst ein feiner Typ war. Intern schien es aber einfach nicht mehr zu passen und sportlich gab es nunmal keine Weiterentwicklung des Vereins – auch wenn man letztes Jahr verhältnismäßig sicher die Klasse gehalten hat. Meine Meinung 🙂 Beim Kurswechsel bin ich voll bei dir, da muss man mal abwarten, was er tatsächlich bewirkt, aber hoffen wir das Beste 🙂
Gruß
Giuseppe
4. November 2014 at 17:21
Da hast du wohl recht. Und schade ist es wirklich, da Dutt vom Profil her eigentlich gepasst hat. Hoffe, er findet nochmal einen Job, bei dem er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen kann.
Die Qualitätsfrage bzgl der Mannschaft bleibt dennoch – aber um diese zu beantworten, hat die Saison ja noch ein paar Spiele und Skripnik noch ein paar Trainingseinheiten.
5. Februar 2015 at 13:04
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23. Februar 2015 at 17:32
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