In diesem Text möchte ich eine Lanze für einen der stärksten Mittelfeldspieler der Welt brechen, dem, neben mir, sicherlich auch so manch anderer anerkannter Fußballexperte das Prädikat „Weltklasse“ attestiert: Bastian Schweinsteiger. Wieso ich das gerade jetzt tun möchte? Ich war noch nie sein größter Fan, ziehe jedoch schon seit langer Zeit den Hut vor seinen teils unglaublichen Leistungen auf dem Platz.

Wahrscheinlich ist den meisten Fußball-Interessierten nicht die Kritik der vergangenen Tage entgangen, in denen Schweinsteiger durch bestimmte Ehemalige an den Pranger geriet und sogar schon von einem vorzeitigen und abrupten Ende seiner Nationalmannschaftskarriere gesprochen wurde. Ein Hauch von Ballack-Vergleichen wehte in der Luft. Persönlich heiße ich es bis heute nicht gut, wie mit dem damaligen „Capitano“ umgegangen wurde, aber dieses Fass lasse ich für heute geschlossen.

Ein anderes Fass will ich aber noch nicht wieder deckeln. Nämlich jenes, aus dem so manche kritische Äußerung über Bastian Schweinsteiger ausgeschenkt wurde. Auslöser für die Kritik an „Schweini“ war das Länderspiel gegen Frankreich, in dem vor allem sein Rivale Ilkay Gündogan zu glänzen wusste. Was dann folgte, glich aber schon fast einer Farce und war nicht mehr als ein Ringen um Medienaufmerksamkeit – einige scheinen ihren Fußball-Sachverstand dabei bewusst zu Hause zu lassen. Auch das ist wieder eine Meinung, die ich persönlich habe – jedoch bestimmt nicht exklusiv.  Es gab so einige Kritiker, die nach diesem Spiel aus ihren Löchern krochen, am deutlichsten wurde aber der Ex-Bayer Olaf Thon: Thons Leistungen als aktiver Profi in allen Ehren, aber seine Äußerungen haben mich doch arg verwundert. Dabei möchte ich anmerken, dass ich Thon für einen herausragenden Fußballer seiner Zeit halte, nicht einmal ein Sympathisant der Bayern bin – obwohl mir die derzeitige Mannschaft sehr imponiert – und auch nicht nur ein großer Fan von Bastian Schweinsteiger bin. Ich bin allerdings ein Freund von Fußballern, die ein Spiel auf ein höheres Level hieven können und für mich zu den absoluten Ausnahme-Könnern ihrer fußballerischen Epoche zählen. Bastian Schweinsteiger gehört für mich zu diesen Spielern.

Auch wenn Olaf Thon mittlerweile wieder zurückruderte und einige Stärken des Bayern-Leaders betonte, bleiben einige negativen Äußerungen hängen und sind auch an Schweinsteiger nicht spurlos vorbei gegangen:

„Schweinsteiger ist ein Spieler, der immer weiter zurückgehen wird, weil er die Schnelligkeit einfach nicht mehr hat. Auf der Position braucht man Schnelligkeit, Aggressivität.“

„Schweini spielt hauptsächlich in die Breite und kann keinen Mann mehr überspielen. Das kann Gündogan jetzt ein bisschen besser… Auch was die Kraft anbetrifft: Da kann er nicht mehr in diesem Rhythmus Mittwoch – Samstag -Mittwoch – Samstag. Auch dass Philipp Lahm das alles noch so gut schafft, finde ich atemberaubend.“

Das waren die Aussagen des Ex-Profis über den aktuellen Profi. Und wie entgegnet man solchen Äußerungen am besten? Na klar, mit ausgezeichneten Leistungen auf dem Platz und das hat Schweinsteiger eindrucksvoll getan.

Als im DFB Pokal-Viertelfinale Bayern gegen Dortmund antreten musste, war es Schweinsteiger, der dem Spiel als Denker und Lenker seinen Stempel aufdrückte. Er war oft als Anspielstation bereit, machte intuitiv fast immer die richtigen Wege und setzte gekonnt, teilweise in Weltklassemanier –Ausdrücke der Begeisterung entglitten mir gestern häufiger als sonst –, immer wieder seine Mitspieler in Szene. Bastian verkörperte das, was man im heutigen Fachjargon gerne als „kompletten Spieler“ bezeichnet. Er war der Kopf einer Mannschaft, die fast ausschließlich über Spieler eines ähnlichen Kalibers verfügt und das zeichnet ihn derzeit aus. Dazu muss nicht nur das Spiel gegen Dortmund herhalten, denn solche Spiele sind keine Einzelfälle, sondern oftmals die Regel. Dieses Spiel ziehe ich nun aber umso lieber heran, da man sich hier wieder einer alten Fußball-Weisheit bedienen kann: „Große Spieler werden in großen Spielen geboren.“ Und was gibt es derzeit in Deutschland größeres als ein Spiel zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund. Selbst auf europäischer Ebene ist hierbei wieder von einem echten Highlight die Rede. Und es war dieses Highlight, in dem Bayerns Leader einmal mehr aus einem starken Kollektiv herausragen konnte. Umso süffisanter wirkt da eine ganz besondere Aussage von Schweinsteiger nach diesem Spiel, der sich bewusst war, ein tolles Spiel abgeliefert zu haben: „Ich habe viele Querpässe gespielt, habe nicht den Weg nach vorne gesucht. Das war nicht so gut.“ Eben ein sympathischer Typ, dieser Schweinsteiger.

Das Duell mit Ilkay Gündogan hat er in diesem Spiel ebenfalls eindrucksvoll für sich entschieden. Nicht, dass man mich hier falsch versteht: Ich halte Gündogan auch für ein großes Talent mit viel Entwicklungspotential. Allerdings ist es jedoch ein sehr kurzsichtiger Ansatz, ihn bereits jetzt auf einem Level mit Schweinsteiger zu wähnen. Auch die Kritik an seiner abnehmenden Schnelligkeit passt nicht. Schweinsteiger zählte noch nie zu den schnellsten Spielern. Aber das ist auf seiner Position nicht ausschlaggebend. Viel wichtiger ist es über eine gewisse Spielübersicht, ein starkes Passspiel und über ein gutes Entscheidungsvermögen in Schlüsselsituationen zu verfügen. Darüber hinaus glänzt er bei den Bayern auch durch starke Fähigkeiten als Box-to-Box-Spieler, wo er häufig als Balleroberer und wichtige Station im Umsachaltspiel agiert. Die in Frage gestellte Aggressivität sehe ich als totale Fehleinschätzung…

Eine komplette Taktik der Jungs von Spielverlagerung hebt auch nochmal deutlich die Vorzüge von Schweinsteiger hervor und ist unter diesem Link nachzulesen.

Schweinsteiger verdient es nicht erst seit heute und durch Spiele wie jenes gegen Dortmund auf einer Stufe mit Mittelfeld-Strategen wie Xavi, Xabi Alonso, Andrea Pirlo, Arturo Vidal, Steven Gerrard, Yaya Touré, Sami Khedira, Daniele De Rossi oder auch Busquets genannt zu werden. Die individuellen Stärken dieser Spieler sind unterschiedlich ausgeprägt, aber alle gleichen sich darin, echte Leader und für ihre Mannschaften unverzichtbar zu sein. Sie lenken Spiele und können die entscheidenden Impulse geben, um sich selbst von starken Gegnern abheben zu können.

Somit bleibt nicht nur nach dem Spiel gegen Dortmund die Erkenntnis, dass sich Fußball-Deutschland freuen sollte, über solche Ausnahme-Spieler zu verfügen und nicht gleich jede missglückte Aktion auf die Goldwaage legen sollte. Sehen Sie das nicht auch so, Herr Thon?

Giuseppe Cotrufo