Wir schreiben den 22.04.2009. Um 20.30 Uhr wird Knut Kircher das Halbfinalspiel im DFB Pokal zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen anpfeifen. Der HSV genießt den Heimvorteil der HSH Nordbank Arena. Binnen drei Wochen werden diese beiden Giganten des Nordens ganze vier Mal aufeinander treffen. Dabei geht es um viel: Um den Einzug in zwei Endspiele. DFB-Pokal und UEFA Cup suchen schließlich einen Finalisten. Der HSV spielt in der Liga nebenbei um den Einzug in die Champions League. Aufregende Derbywochen, die da auf uns Fans zukommen… 

Verdammt, war grad irgendwie so, als sei es gestern gewesen. Erinnerungen… schön sind sie manchmal… ist aber dann doch schon eine ganze Weile her. Fast fünf Jahre. Klingt jetzt doch wieder nach einer gefühlten Ewigkeit. Nicht nur, dass jetzt in der Imtech Arena und um die Krone der Europa League gespielt wird, die Vereine treffen am Wochenende in deutlich anderer Konstellation aufeinander. Die einzige Konstante: Es ist ein Spiel, dessen Ausgang für beide Seiten immens wichtig ist. Weniger aufgrund akuter Titelträume, viel mehr aus Angst um den Ligaverbleib. Klingt schon komisch. Es geht ja schließlich um den HSV und Werder. Aber was rede ich da, es war ja schließlich ein schleichender Prozess auf beiden Seiten, der unaufhaltsam in diesen Katastrophenzustand mündete. Den Super-Gau, besser bekannt als Abstieg (grausames Wort), wollen beide mit aller Kraft abwenden. Die Frage ist nur: Wie viel Kraft haben diese beiden Vereine tatsächlich? Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie viel Potential EIGENTLICH vorhanden sei… und EIGENTLICH sei es nur eine Kopfsache… und EIGENTLICH sei es nur eine Frage der Zeit, bis es wieder in Richtung Europa geht. Ist mir alles zu viel EIGENTLICH gewesen… Wieso wurde sich nicht einfach den EIGENTLICHEN Problemen gewidmet? Die waren handfest und kaum zu übersehen. Lösungsansätze? Fehlanzeige. Worin beide tatsächlich immer klasse waren? Probleme wurden in gewohnter Manier klein- und weggeredet. Rhetorisch wurde an dieser Stelle oftmals einwandfrei und mit beschwichtigender Wirkung gearbeitet – Respekt dafür. Praktisch und im Sinne der sportlichen Leistung leider äußerst kontraproduktiv…

Und da stehen beide Vereine nun, am Abgrund. Retten können sie sich nur selbst. Während in Bremen zumindest nach außen noch die Fassung gewahrt wird und sportliche Entscheidungsträger unter Welpenschutz stehen, wirkt das Bild, das Hamburg abgibt, deutlich rissiger. Die Frage, die sich einem stellt: Wer arbeitet tatsächlich für den Verein und wer dagegen? Wem liegt das Wohle des Vereins nahe und wem nur seine eigenen Interessen? Jetzt schon der Lichtblick der Saison: Das 3:0 gegen den BVB. Eine Leistung, die bei der Vorgeschichte nicht wirklich erklärbar ist. War es vielleicht wirklich der tragische Tod von Hermann Rieger, der einen ganzen Verein beflügelte oder doch der Wechsel zu einem Trainer, der dauerhaft anwesend ist – ganz ohne spontane Holland- oder München-Trips? Gibt es es vielleicht Einzelspieler, die kollektive Leistungen trotz individueller Klasse  beeinträchtigen? Der HSV bleibt ein Rätsel. Was der Sieg gegen den BVB wert war, wird das Spiel gegen Bremen zeigen. Und auch die Spiele danach, in denen es gegen direkte Konkurrenten geht.

Ein ähnliches Programm wartet auf Bremen, dessen letzter sportlicher Eindruck, ähnlich wie beim HSV, Hoffnung auf Besserung macht. Der Punkt in Frankfurt wirkte in Anbetracht einer langen Unterzahl wie ein Sieg, ebenso der Last-Minute-Punkt gegen die Gladbacher am Spieltag zuvor. Werder ist und bleibt allerdings eine Wundertüte, bei der man nie weiß, was man bekommt. Vor allem die personelle Umbesetzung in der zuletzt sattelfester wirkenden Defensive, dürfte dem Stabilisierungsprozess an der Weser deutlich im Weg stehen. Im Vergleich zum Wochenende muss die Viererkette auf drei Positionen aufgrund von Sperren und Verletzungen verändert werden. In solch präkeren Phasen ist so etwas nicht gerade förderlich.

Wie geht man also an dieses Derby heran, das für Fußball-Deutschland nicht mehr das Flair von vor wenigen Jahren versprüht? Als Fan logischerweise voller Euphorie und Erwartungen. Es ist schließlich unser Derby des Jahres, das bei gutem Ausgang temporär für so einige deprimierende Momente entschädigen kann. Und was erwartet den neutralen Fan? Bei diesen sprunghaften Leistungen, vor allem der unerwarteten HSV-Gala gegen den BVB, absolut nicht vorherzusehen.

Ein Tipp als Fan: Zeigt uns Kampf, Leidenschaft und den Willen an eure Grenzen zu gehen. Wir wissen, dass es sportlich derzeit nicht für große Würfe reichen kann, umso mehr möchten wir das Gefühl haben, eine Mannschaft zu unterstützen, die diese Unterstützung verdient. Wir wollen keine Resignation sehen und keine Lustlosigkeit. Nehmt das Derby an, nehmt den Klassenkampf an und nehmt vor allen Dingen das Wappen auf eurer Brust an. Für euch ist der Verbleibt bei einem Team oft nur ein zeitlich begrenzter Lebensabschnitt, für uns seid ihr in diesen Abschnitten allerdings Teil eines Vereins, mit dem wir uns identifizieren und den wir bedingungslos unterstützen. Wir erwarten keine Wunderdinge von euch, wir verzeihen euch Fehler, aber bitte gebt uns das Gefühl wenigstens einen Bruchteil unserer Leidenschaft für diesen Verein zu entwickeln und euch entsprechend so auf dem Platz zu präsentieren. Nur so bestehen wir als Einheit, auf und neben dem Platz!

Also dann: Möge das Derby beginnen!

Giuseppe Cotrufo