Guter Spieler, gute Szenen:

http://www.youtube.com/watch?v=Ed4386qWhYI&feature=fvst

Doch Hand hoch: Wer hat das länger als 30 Sekunden ausgehalten?

Unsere Aufgaben, also die des Teams von „Hauptsache Fußball“, sind oft sehr angenehm und machen Spaß. Zu ihnen gehört etwa, Blogs und Videoportale zu durchpflügen auf der Suche nach schönen, spannenden, witzigen, haarsträubenden oder auch wütend machenden Schnipseln, mit denen wir unsere stetig wachsende Fangemeinde erfreuen können. Und immer wieder sind wir selbst verblüfft, wie viele Menschen sich die Mühe machen, die erstaunlichsten Videodokumente rund um den Fußball auszugraben, in ein digitales Format umzuwandeln und bei Youtube & Co. hochzuladen.

Aber wie zeitraubend und zermürbend dieser Job sein kann! Denn zu „Cristiano Ronaldo“, „Marko Arnautovic“, „Die peinlichsten Torwartpannen“ – oder welchem Thema auch immer – findet man zwar immer etwas. Doch wehe, der Film zeigt nicht nur ein Tor, eine Großchance, eine rote Karte, eben einzelne Spielszenen, sondern irgendein „Best Off“. Es scheint, als fänden manche Youtuber das Thema, zu dem sie meinen, der Welt einen Film schenken zu müssen, wahnsinnig cool und spannend. So sehr, dass sie den zugehörigen Bildern, die sie meinen unbedingt verbreiten zu müssen, nicht die geringste Eigenwirkung zutrauen. Um sie dann brutalstmöglich mit „Musik“ zu überkleistern.

http://www.youtube.com/watch?v=ZhNmeyOyi9s&feature=related

Ein bombastisches Intro verrät zwar nicht unbedingt Gespür für die richtige Stimmung, doch immerhin noch einen gewissen Stilwillen. Wer seine Zeit aber schon länger in das Durchforsten von Videoportalen investiert, befürchtet umso Schlimmeres, je mehr sich die ersten Takte des Titels um „Glanz“ bemühen. Man ahnt: Gleich setzt unerträglich hämmernder Techno-Lärm ein, erklingt das flache „Bum-Bum-Bum-Tak-Tak-Tak-Yeah-yeah-yeah“ pubertärer Hip-Hop-Pseudocoolness oder indifferentes Gitarrengeschrammel. Nicht die geringste Beziehung zwischen Bildern und Beschallung ist erkennbar. Was die bewegten Grisselbilder an fußballerischer Dramatik und Kunst erahnen lassen, geht unter im alles erschlagenden Trash-Lärm. Innerlich steigt mir dabei der Geruch von abgestandenem Zichtenqualm, Wohnungsmief und verrottender kalter Bringdienstpizza in die Nase.

Fußball ist kein elitärer Sport, und auch unser Anspruch ist bestimmt nicht, über allem zu stehen. Fußball begeistert uns, und das schließt eben ein, manchmal auch ganz und gar kritiklos zu sein, einfach laut „Jaaaaa“ zu schreien. Und bei „elitären“ Sportarten denke ich auch eher an alberne karierte Hosen, Bräunungscreme und Gespräche über Koi-Karpfen-Zucht als an irgendetwas Vergnügliches.

Aber muss man denn jede audiovisuelle Lebensäußerung derart deutlich mit einer Duftmarke seiner, sagen wir, erkennbar „nicht elitären“ Milieuzugehörigkeit markieren, dass dem arglosen Internetnutzer schwindlig wird, sobald er den Film bei normaler Lautstärke laufen lässt? Fußball ist etwas sehr Einfaches: Ein Feld, zwei Tore, zweiundzwanzig Spieler, 90 Minuten, simple Regeln, unendliche Möglichkeiten. Nicht zufällig unternimmt das Fernsehen während eines laufenden Spiels – Kommentatorenkritik hin und her – immer noch relativ wenig, um das Geschehen auf dem Platz mit zusätzlichem Bild oder Klang zu intensivieren. Kein spannungsvolles Orchestergrummeln bei gefährlichen Pässen, keine aufschreienden Blechbläser beim Fallrückziehertor. Noch jedenfalls nicht. Sollte das dem gemeinen Youtuber nicht Hinweis genug sein, darauf zu vertrauen, dass ein Tor keinen Lärmteppich braucht, um aufregend zu sein? Niemand würzt Kaviar mit Curryketchup. Keiner macht Hackfleisch aus Filetsteaks. Musik unter Fußballclips ist so nützlich wie Weißbier in Uli Hoeneß‘ Haupthaar. Wenn Ihr tolle Tore posten wollt, gerne und vielen Dank dafür, aber geht nicht mit Eurem bedrückenden Musikgeschmack hausieren. Den fast täglich in Bus und Straßenbahn ertragen zu müssen, reicht mir völlig.

Andererseits – begründete Ausnahmen sind natürlich denkbar:

http://www.youtube.com/watch?v=VY1IAiU_vCw

Matthias Holtz