Nachdem beim Schreiben des ersten Artikels die Autorenkrankheit aufgetreten ist – sprich: das Ganze viel länger geworden ist, als ursprünglich mal geplant – habe ich beschlossen den Artikel zu splitten. Hier gibt’s also Teil II meiner (mehr oder weniger) gehaltvollen Ansichten zum Seuchenjahr des Ersten Fußballclubs Köln. Machen wir zunächst mal weiter mit der Aufzählung der einzelnen Punkte jenes beispiellosen Kollektivversagens und widmen uns nach der konsequenten Abschaffung der sportlichen Verantwortungsträger und den Ausführungen zum Trainer und seinem System nun einmal dem wahrscheinlich wichtigsten Punkt:

Punkt 3: Kein (Geiß)bock – Die Mannschaft, die einfach nicht mehr wollte

Viel haben wir bereits zum Thema Charakter eines Teams geschrieben (hier oder hier zum Beispiel). Der Begriff, der den FC 11/12 als Team aber am besten beschreibt, ist wohl „charakterlos“. Keine Mannschaft ist in dieser Saison mit so schöner Regelmäßigkeit komplett eingebrochen, wenn es galt, einem Rückstand hinterher zu laufen. Keine war anfälliger für richtige „Klatschen“. Keine hat mehr Gegentore kassiert. Und meines Wissens hat auch keine Truppe die bemerkenswerte Bilanz aufzuweisen, in den letzten beiden Saisons gegen 15 der 17 Konkurrenten mindestens einmal drei oder mehr Gegentore kassiert zu haben. Mit anderen Worten: der FC demonstrierte wieder und wieder, dass sie eben nicht nur gegen die „Großen“ (Dortmund, Bayern, Schalke) richtig untergehen konnten, sondern gegen praktisch jeden Bundesligisten – selbst Mannschaften wie Freiburg oder Mainz, die nicht unbedingt für Kantersiege bekannt sind, durften sich hier einmal richtig den (mal mehr, mal weniger vorhandenen) Frust von der Seele ballern.

So wusste eigentlich spätestens bis zur Rückrunde jeder, dass ein in Rückstand geratener FC praktisch besiegt ist. Wie oft saß man vor dem Bildschirm und erstarrte ob schier unglaublicher Fehlpassorgien, vollkommener Bewegungslosigkeit und nahezu nicht vorhandenen Zweikampfverhaltens? Natürlich: das „System Solbakken“ war weniger auf klassische Zweikämpfe ausgelegt als auf das Erzwingen gegnerisches Fehler durch das Engmachen der Räume vor allem in der eigenen Hälfte (wo die zwei dicht gestaffelten Viererketten im Idealfall kein Durchkommen zulassen sollten). Aber die Körpersprache vieler – im Saisonverlauf gesehen wahrscheinlich sogar ALLER Spieler – wies darauf hin, dass es das alleine nicht war. Die Mannschaft hatte buchstäblich keinen Bock mehr – ausgenommen jenen, der symbolisch auf jeder Brust prangte. Solbakken bestätigt mit folgender Aussage aus dem kicker eigentlich das, was viele, die diese Mannschaft haben spielen sehen, vermutet hatten: „Als ich ankam, haben mir fünf Spieler gesagt, dass sie nicht mehr in diesem Klub spielen wollen. Nur Mohammad ist gewechselt. So hatten wir vier Spieler, die im Kopf tot waren. Sie hatten zu lange in Köln gespielt und das Gefühl, müde zu sein.“

Im Kopf tote Spieler – das passt.  Wie sehr habe ich mich über Michael Rensings hilflose Abschläge nach vorne aufgeregt, die binnen Sekunden wieder beim Gegner landeten? Wie oft habe ich mich gefragt, warum er das Spiel nicht mal ruhig von hinten aufbaut – bis ich merkte, dass das einfach nicht ging. Denn kein einziger Abwehrspieler schien willens, jemals eine Spieleröffnung zu wagen. Wie auch? Denn bei den behäbig und uninspiriert über den Platz schleichenden Mannschaftskollegen gab es quasi grundsätzlich keine Anspielstation…ausgenommen der vielleicht in der jeweiligen Spielsituation naheliegendsten, die jeder Gegner diesseits der Verbandsliga sofort durchschaute.

Echtes Feuer hingegen – das fehlte dieser Truppe vor allem in der Rückrunde vollständig. Bis auf vielleicht einem: Lukas Podolski, der quasi die Hinrunde seines Lebens spielte. Und genau da lag wohl auch das Problem, denn nur zu oft konnte man sich nicht des Gefühls erwehren, dass seine Mannschaftskollegen genau das zum Anlass nahmen, sich im Schatten des großen Lukas P. zu verstecken. Wenn der dann mal selbst nicht konnte oder wollte – Pech. Dann passiert halt gar nix! Wenn DER nicht läuft, brauche ich auch nicht?! So sah das leider nur zu oft aus…

Vielleicht waren die Energien für die Spiele auch bereits aufgrund der Eskapaden abseits des Platzes aufgebraucht? Die alkoholbedingten Vorfälle um Brecko (Karneval) und Peszko (ohne bekannten Anlass…), der mutmaßliche Trainingsausraster von Riether gegenüber dem Co-Trainer, Poldis mehrfache Interviewoffensive in Sachen Transferpolitik (so sehr ich den Ärger des guten Mannes verstehen kann: mit dem Boulevard darüber zu quatschen, macht es NIE besser), sowie Pezzonis & Novakovics weinerliche Trainerschelte per Zeitung nach ihrer Aussortierung („Wir wissen gar nicht, warum es uns getroffen hat!“, bei Novakovic noch garniert mit „Was ich doch schon alles für den Verein getan habe“-Pathos). All das legt vor allen Dingen nahe: viele Spieler waren eher mit sich selbst beschäftigt als mit z.B. Fußball…oder wenigstens AbstiegsKAMPF.

Bemerkenswert im Hinblick auf die Charakterfrage auch folgende Beobachtung. Nach dem vorletzten Treuebekenntnis der Cluboberen versprach Solbakken, personell knallharte Konsequenzen zu ziehen. Was passierte: ausgemustert wurden Novakovic, Pezzoni, Andrezinho und Petit – mit Ausnahme von Nova allesamt keine Stammspieler. In den einschlägigen Tranfermarkt.de-Foren gab es zu dieser Auswahl zwei Interpretationen: a) Solbakken sucht Bauernopfer und traut sich nicht daran, Stammspieler abzusägen und b) der Trainer sortiert die mannschaftsinternen „Stinkstiefel“ und Maulwürfe aus, die immer wieder Interna an die Presse tragen. Letztere These würde nur zu gut ins Bild passen (ob sie deshalb wahr ist, steht auf einem anderen Blatt): diese Mannschaft war gar keine, sondern eine zusammen gewürfelte Ansammlung von Einzelkämpfern. Nichts Neues, denn die Prädikate „eingeschworene Truppe“ oder „hohe mannschaftliche Geschlossenheit“ hat man in den letzten Jahren oft gehört…nur nie im Kontext dieses Teams. Leider hatte man aber diesmal wohl den Bogen überspannt. Diese Truppe jedenfalls war wirklich so „tot im Kopf“, dass es nicht einmal für die letzten paar Pünktchen zum Klassenerhalt (oder wenigstens Relegationsplatz) reichte.

Punkt 4: Die übliche Panik – das Kölner „Umfeld“

Oft wird im Hinblick auf den FC von einem komplizierten Vereinsumfeld gesprochen, ohne dabei nun wirklich zu präzisieren, wo das Problem liegt. Für den Außenstehenden manifestiert sich das oft im Bild der weltfremden FC-Anhängerschaft (gern und oft auch auf die Vereinsführung übertragen), die unterhalb der Qualifikation für die Europa League (mindestens!) eigentlich gar keine Saisonziele ausgeben will. Darüber gibt es die durchaus nicht von der Hand zu weisende Tendenz der „Messias-Bildung“, die Volker Finke in seinem Interview im Aktuellen Sportstudio vor rund einem Jahr ansprach. Gemeint ist: gerne fokussiert sich in Köln das Geschehen auf eine einzige Person, an der Wohl und Wehe des gesamten Vereins festgemacht werden.

Nun mag ich ein Sonderfall sein oder auch nicht, aber in meinem FC-affinen Freundes- und Bekanntenkreis, kenne ich komischerweise keinen dieser „Europa-League, wir kommen!“-Marktschreier. Im Gegenzug kenne ich aber genügend Nicht-FC-Anhänger, die genau wissen, dass „euer Umfeld doch so tickt“. Was ist denn nun wahr? Wahrscheinlich liegt die Wahrheit, wie so oft, in der goldenen Mitte. Wenn man sich z.B. mal ins große FC-Forum bei Transfermarkt.de begibt, stellt man fest, dass es sie alle gibt: die Hurra-Schreier, die nüchternen Analysten, die desillusionierten Pessimisten. Kurzum: die FC-Community staffelt sich da vermutlich nicht anders als die meisten anderen Vereinsanhängerschaften. Vielleicht neigt die rheinische Frohnatur tendenziell etwas mehr zum Optimismus – wer weiß?

Was aber macht das Umfeld dann wirklich so „kompliziert“, dass selbst die Verantwortlichen im Club bzw. externe selbsternannte „Experten“ es hervorheben? Das Epizentrum jeglicher Unruhen im Umfeld des Clubs sehe ich hier: in einer zur Hysterie neigenden Medienlandschaft. Nun ist es natürlich eine simple Lösung, alles auf die bösen, bösen Medien zu schieben (wir als Medienschaffende kennen dieses Problem nur zu gut…). Und das Gegenargument, auch andere Clubs hätten mit der zunehmend boulevardesken Sportberichterstattung zu kämpfen, ist sicherlich richtig. Dennoch ist die Situation in Köln hier durch eine besondere Brisanz geprägt: hier hat das Leitmedium des Boulevards, die Bild-Zeitung, nicht die Marktherrschaft, sondern liegt hinter dem Express – einem Konkurrenten, der eben nicht aus dem „eigenen Haus“ ist (sprich: zum Axel-Springer-Verlag gehört). Man steht also in einem echten Wettkampf – der vor allem auf dem Rücken des FC ausgetragen wird. Kölner (und aufmerksame 11Freunde-Leser) kennen diese lustigen Schlagzeilen-Plakate, die hier täglich an den Zeitungsautomaten der beiden großen Boulevardzeitungen kleben, um die jeweilige Zeitung zu bewerben. Und als jemand, der auf dem Weg zur Arbeit täglich an mehreren davon vorbei geht, kann ich mit voller Überzeugung sagen: der mit Abstand größte Teil dieser Schlagzeilen dreht sich um den FC.

Das heißt: hier wird mit allen Haken und Ösen um jede Schlagzeile im FC-Kontext gekämpft. Transfermeldungen oder Trainerentlassungen werden voreilig (mitunter auch einfach fälschlicherweise) verkündet, ohne dass man irgendeine glaubwürdige Quelle hätte, sprich: etwas Konkretes zu berichten hätte – Hauptsache, man ist der Erste, der drüber schreibt. Jede Form von vermeintlichen Insider-Informationen wird sofort zur Schlagzeile verarbeitet und zum nächsten Skandal hochstilisiert. Dass entschieden zu viel „Kabinengeflüster“ von innen nach außen dringt, ist evident. Leider wird auch der Theorie, in der Mannschaft bzw. im Verein generell würden ein oder mehrere „Maulwürfe“ gern Interna nach außen tragen, immer wieder neue Nahrung gegeben (z.B. Riethers angeblicher Wutausbruch in der Kabine nach einer Niederlage zum Saisonende, Finkes vermeintliches Unterbrechen einer Ansprache von Frank Schaefer vor Jahresfrist usw.) Wen wundert es da, dass Neu-Trainer Stanislawski bereits jetzt im Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger vorwarnt, dass derjenige, der Geheimnisse ausplaudert  „richtige Probleme mit mir [bekommt], unabhängig vom Alter, dem Prestige oder dem Einkommen“ ?

Dass das Umfeld, vor allem also die Anhängerschaft, sich vom Boulevard entsprechend „hysterisieren“ lässt, ist damit eigentlich eine Binsenweisheit. Viel von dem, was sich in der Anhängerschaft (vermeintlich) abspielt, lässt sich auf diese Quelle zurückführen. So auch die bereits beschriebene Messias-Bildung, die oft (nicht immer!) ihren Ursprung im Hype in eben jenen Blättern hat. Wenn es dann einem „Messias“ doch mal an den Kragen geht, führt das zu einer unheiligen Allianz beider Phänomene, die den Verein gerne mal eine ganze Saison begleitet. Man denke da z.B. an Solbakkens Entscheidung, die Kapitänsbinde von Lukas Podolski an Pedro Geromel weiterzugeben. Sicherlich kann man über Sinn oder Unsinn dieser Entscheidung diskutieren. Aber dass eine Kapitänsumbesetzung monatelang  Diskussionsstoff bietet und von manch einem noch heute als die Wurzel des Untergangs beschrien wird, ist schlicht und ergreifend lächerlich – und der Rolle, die dieses Amt heutzutage noch hat, auch nicht im Entferntesten angemessen. Sorry, aber es gibt Bundesligaclubs, bei denen man als Nicht-Fan nicht einmal weiß, wer der jeweilige Kapitän ist (ging vielen übrigens auch bis ins letzte Jahr beim FC so, als Mohammad dort das Amt inne hatte) – und keinen stört’s! Dass beim Ersten Fußballclub Köln hingegen der Untergang des Abendlandes herbei diskutiert wurde, weil „Uns Poldi“ jetzt eben kein Capitano mehr ist, ist an unnötigem Drama kaum zu überbieten. Vor allem dann nicht, wenn man bedenkt, was für eine famose Hinserie der vermeintlich Degradierte im Anschluss spielte…

Das alles kann natürlich keine Entschuldigung für die desolate Präsentation von Team und Verein in dieser Saison sein. Und genauso wenig für die Fehler, die in diesem Kontext gemacht wurden. Wenn ein Wolfgang Overath etwa zum Amtsantritt sich genau diese boulevardeske Welle zunutze macht und wahnwitzige Vierjahrespläne „von der zweiten Liga bis in die Europa League“ verkündet, ohne einen tatsächlich substanziellen Plan in der Hinterhand zu haben – ja, dann darf man sich nicht wundern, wenn genau das vier Jahre später in der FC-Landschaft wie ein Bumerang zurückkommt.

Nichtsdestotrotz: das „Drama, Baby!“-Umfeld ist damit natürlich letztendlich genauso ein Baustein für den diesjährigen Untergang. Wie kann ein angezählter Trainer sich eine Rest-Autorität bewahren, wenn bereits sein Rausschmiss in der Zeitung stand? Wie soll sich ein fragiles Mannschaftskonstrukt zusammenraufen, wenn durch das Durchsickern von Interna immer mehr Zwietracht und Misstrauen gesät wird? Wie wirkt es sich auf das Betriebsklima und die Außendarstellung des Vereins aus, wenn die Abgänge der sportlichen Führung nochmals durch mediale Schlammschlachten potenziert werden? Eben! Das Umfeld ist – wie alle anderen aufgezählten Punkte – nicht der alleinige Trigger zum Kollektiv-K.O. des Clubs in dieser Saison. Aber es ist dennoch einer der (vielleicht der letzte noch fehlende) Sargnagel, der 2011/2012 zur bis auf weiteres letzten Erstliga-Saison des „Effzeh“ gemacht hat.

To be continued? Hoffentlich nicht!

Nun steht der Club also vor dem Scherbenhaufen dessen, was eigentlich die dauerhafte Rückkehr in die Bundesliga sein sollte. Auch wenn ich nicht zu denjenigen gehöre, die diesem Abstieg irgendwas abgewinnen können (ein Abstieg ist IMMER schlecht und IMMER ein verlorenes Jahr, sowohl was Qualitätsverlust, als auch finanzielle Aspekte angeht), so bleibt „uns“ ja nichts anderes übrig, als tatsächlich darauf zu hoffen, dass man diesen Rückschlag nun endlich einmal wirklich zum Anlass eines Umbruchs nimmt.

Denn dass die Fehler des FC nicht erst in dieser Saison gemacht wurden, ist offensichtlich. Die Verbindlichkeiten waren vorher schon da, die „im Kopf toten“ Spieler auch. Der Abstiegskampf ist nicht erst 2011/12 das traditionelle Umfeld des FC geworden und genausowenig war diese Saison eine Premiere in Sachen „unkonstante Leistungen“ und „Anfälligkeit für Klatschen und Totalkollapse nach Rückständen“. Das Fehlen einer Spielidee war auch schon in den Jahren zuvor zu beobachten. Und die Tatsache, dass die Saison nicht mit demselben Trainer beendet wurde, mit dem sie begonnen hatte, ist ebenfalls mitnichten neu. Kurzum: Stale Solbakken hat in seiner kicker-Aussage zum FC, der Verein habe „seit zehn Jahren kein Konzept“ gehabt, sicherlich recht.

Dieser einstmals große Verein hat einfach irgendwann (offensichtlich in den 90ern) den Fokus, die Kreativität und letztendlich auch den Anschluss an die Konkurrenz verloren. Stand der FC in seinen goldenen Jahren z.B. noch für eine glorreiche Jugendarbeit, hat man hier den 2000er Umbruch in Sachen „Leistungszentren“ verpennt: schon lange haben im Rheinland vor allen Dingen Bayer Leverkusen, aber mittlerweile auch Borussia Mönchengladbach dem „großen FC“ den Rang und Namen abgelaufen. Stattdessen sahen die regionalen Talente in spe im Hinblick auf den FC nur: kaum Einsatzzeiten von Nachwuchsspielern in der ersten Mannschaft und ein zu langes Zögern, wenn es darum ging, talentierte Spieler auch mal perspektivisch zu verleihen (eine Praxis, die z.B. in Leverkusen schon lange zum guten Ton gehört und die in Köln erst unter Volker Finke größere Beachtung fand). Gerade den jungen Spielern müssen Perspektiven aufgezeigt werden – selbst, wenn gerade der Durchbruch in der ersten Mannschaft durch andere Spieler „blockiert“ ist. Und ob die Scoutingabteilung immer auf Zack war, steht auch in den Sternen. Mir blutet immer noch das Herz, wenn ich an das Interview mit Stefan Reinartz denke, das ich für „Hauptsache Fußball“ geführt habe und er auf meine Frage „Warum gerade Leverkusen?“ antwortete: „Weil halt ein Leverkusener Scout da war und vom FC zum Beispiel leider keiner – sonst hätte das auch in eine ganz andere Richtung gehen können. Ich war da damals ziemlich flexibel.“ Und warum spürte Gladbach einen Marco Reus auf, der für wenig Geld auf dem Markt war, die Scoutingabteilung des FC aber anscheinend nicht? Warum hat man mit dem Sportslab eine eigentlich hochgelobte Scouting-Einheit, die aber in den letzten Jahren außer Pedro Geromel keinen weitestgehend unbekannten, günstigen Spieler aufspürte, den man zu einem Club wie dem FC lotsen kann?

Natürlich basiert dieses Problem auch auf alteingesessenen Verhaltensmustern aus einer Zeit, in der der FC noch an der nationalen Spitze mitspielte und die offenbar für alle Beteiligten schwer zu „verlernen“ sind. Zwar redet jeder gern davon, mehr junge, unbekannte Spieler zu fördern. Und dennoch rümpfte man eher die Nase, als der Verein in der Sommerpause einen Neuzugang namens Odise Roshi präsentierte. „Wo kommt der her? Albanien? Was wollen wir denn mit dem?“ – da brauchte es schon einen Millionentransfer wie Ex-Nationalspieler Sascha Riether, um die Gemüter zu beruhigen. Dass dann genau dieser Herr Roshi (der eigentlich erst mal nur für die zweite Mannschaft angedacht war) zu den wenigen positiven Überraschungen der Saison gehörte, indem er sich zu einer brauchbaren und in Zukunft ausbaubaren Alternative für die Profis entwickelte – das geht dabei gerne mal unter. Was ich damit sagen will: noch immer hängt man gerne den Zeiten nach, als die großen Namen nach Köln kamen. Einer Tradition, der Michael Meier in seiner Zeit als Manager gerne Rechnung trug, indem (zum Teil ehemalig) klangvolle Namen wie Petit, Maniche oder eben Podolski für durchaus stattliche Gehälter nach Köln geholt wurden. Ob der Spieler charakterlich und von seinen Fähigkeiten her ins Team passt – sekundär. Mit der Folge, dass mittlerweile jeder Spieler weiß, dass man in Köln für einen Nicht-Europacupteilnehmer recht ordentlich verdienen kann…oder zumindest konnte. Denn jetzt wird es ja endlich zum Umbruch kommen, oder?

Es bleibt zu hoffen. Kleine Ansätze für Hoffnungsschimmer sind erkennbar. Etwa, wenn Claus Horstmann bei der Vorstellung von Holger Stanislawski nachdrücklich darauf verweist, dass man nun mittelfristig einen Teamaufbau plane – und damit klar macht, dass es jetzt nicht um „Aufstieg zu jedem Preis“, sondern um einen nachhaltigen Aufbau eines Teams gehen soll. Ob es dabei bleibt, wenn man z.B. am Ende der Hinrunde nun tatsächlich nur auf Platz 9 oder 10 der zweiten Liga stehen sollte, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Immerhin ist es aber schon einmal eine gewisse Lektion in Demut, die sich von großspurigen Ankündigungen (oder Vierjahresplänen…) unterscheidet.

Darüber hinaus stellt man mit dem Trio um Holger Stanislawski und dem „Sportdirektor-Doppel“ Frank Schaefer (Leiter Sport und Nachwuchsarbeit) und Jörg Jakobs (Leiter Kaderplanung und Transfermanagement) ein sportliche Leitung vor, die jeweils für bodenständige Arbeit steht. Dass vom Personal her hiermit drei Männer zusammenkommen, deren Kompetenzen vor allem in den Bereich Jugendarbeit, Umgang mit jungen Spielern und Scouting liegen, lässt hoffen, dass diesmal wirklich ein Konzept dahintersteckt.

Ob sich dieser Hoffnungsschimmer auch bei der Kaderzusammenstellung fortsetzt und eine klare, der zweiten Liga angemessene und kluge Transferpolitik gefahren wird, bleibt abzuwarten. Immerhin machen zwei Entscheidungen schon einmal Hoffnung:

a) dass man sich (schweren Herzens) von Michael Rensing trennt, um einerseits Gehälter bei einem Großverdiener zu sparen und andererseits auf das eigene Torwarttalent Timo Horn zu setzen, sowie

b) dass mit Thomas Bröker zunächst mal eine klassische Zweitliga-Verpflichtung vorgenommen wurde. Warum das Hoffnung macht? Nun, es könnte vielleicht endlich einen Paradigmenwechsel einleiten, der zeigt, dass man erst mal realistisch für die Liga plant, in der man auch tatsächlich spielt. Eine wohltuende Abwechslung zu der Ära unter Daum/Meier, wo ohne Rücksicht auf Verluste – und Budget – ein Erstligakader zusammenstellt wurde, der vom ersten Spieltag an „zum Aufstieg verdammt“ ist. Der Druck wird ohnehin groß genug sein!

Ob das allerdings tatsächlich Indikatoren dafür sind, dass dieser Club vielleicht endlich „erwachsen“ wird oder ob man in ein paar Monaten dann doch wieder den nächsten abgehalfterten Ex-Star an Land zieht, der den Karren alleine aus dem Dreck ziehen soll – das wird erst die Zeit zeigen. Immerhin könnte man auf der Gegenseite argumentieren, dass der Club mit der Einstellung von Toni Schumacher als Vizepräsident trotz allem in ein altes Muster verfällt: ehemals großen Namen irgendwie in eine Rolle im Verein zu „klüngeln“.  Dass jedenfalls ein Typ wie der „Tünn“ zur Ruhe im Umfeld beitragen wird, darf bezweifelt werden. Aber vielleicht (hoffentlich!) täusche ich mich da ja.

So oder so: es steht eine spannende Saison – und eine große Chance zum Reset – für den 1.FC Köln bevor. Aber das ist ja jedes Jahr so…

[Marco Jankowski]