„Sommerpause. Endlich Zeit, alle Spiele der abgelaufenen Saison nochmals in aller Ruhe anzuschauen“ (Anatol Nitschke, nach dem Champions League-Finale wieder zuhause in Berlin).

Ist es nicht schön, jetzt endlich Zeit zu haben für die wirklich wichtigen Dinge im Leben? Sich aufregen zu können über die echten Schwachmaten des Geschäfts?

Oder sich, besser fürs Herz, alle Lieblingsspiele mit bekanntem Ausgang  und sonst wie alle All Time Football-Greats nochmals anzuschauen. Und nochmals. Und nochmals. Und FIFA 13…14…spielen…

Und dann der Transferwahnsinn. Robert Lewandowski. Manche Menschen können einem echt nur noch leid tun. Tag für Tag diese so fettreiche wie kalorienarme Medien-Schlacht am Fußballer-Buffet. Geht an mir vorbei. Wer kommt, der kommt. Wer geht, haut ab. Reisende soll man nicht aufhalten – und wer bleibt, wissen wir schon jetzt ganz genau und sind glücklich darüber. Oder auch nicht. Gewisse Berater werden es in Zukunft jedenfalls äußerst schwer haben, auch nur einen halben Fuß auf den Boden der europäischen Fussballbühne zu bekommen.

Auch tragisch: Wenn das große FC-Talent, der „Hoffnungsträger“ a.D., Christian Clemens tatsächlich für einen verhältnismäßig geringen Betrag – der den über beide Ohren verschuldeten Kölnern recht wenig bringt, rein bilanziell betrachtet –  zu Schalke 04 wechseln sollte, ja, dann gute Nacht FC. Wer spielt denn da überhaupt noch? Wer trainiert da denn ab kommendem Montag? Wo ist da die Qualität? Stöger, die arme Sau, hat doch keine Ahnung, auf was für ein nachhaltig verseuchtes Haifischbecken ohne jegliche Chance auf zu investierende Kohle er sich da einlässt. Der FC wird, wenn er so düster und selbstzerfleischend weitermacht, spätestens in der Saison 2014/15 ein ernsthafter Kandidat für Liga 3. Aber, vielleicht, vielleicht steckt da ja auch ein Plan dahinter, ein echter Masterplan, entgegen allen gemachten Erfahrungen mit diesem Karnevalsverein? Vielleicht möchte man ja wirklich mal den langfristig sehr gesunden Weg von Fortuna Düsseldorf gehen, erst mal runter in Liga 4 oder 5, egal, und dann entschulden.  Hat ja was gebracht. Der Verein ist zumindest schuldenfrei. Und Düsseldorf hat die Toten Hosen. Köln hat Brings. Oder Bap. Jedem die Band, die er verdient.

Aber ich möchte ja hier jetzt  nicht zu viel schlechte Stimmung verbreiten. Bei dem Wetter, wo es tatsächlich so etwas wie 18 Grad im Schatten hat und, echt jetzt, für einen Tag mal trocken ist. Und bei dieser Finanzlage. Und und und. So viele Probleme. Vielleicht kann beim 1. FC Köln ja tatsächlich jemand zaubern und alles nimmt ein gutes Ende und der FC steigt in der kommenden Saison auf 🙂 Schön wär´s.

Ich habe, auch der besseren Laune wegen, Bücher gelesen. Mich so weggeträumt. Eben nicht nur schlimme Tageszeitung mit überfluteten Ramschkisten voller bad news, nein, sogar zwei Bücher gelesen, tatsächlich auch beide zum Thema Fußball. Eines beschäftigt sich mit der Vergangenheit, eines mit Gegenwart und Zukunft.

Das erste, TOOOR…IN DEUTSCHLAND (Suhrkamp/WDR 2, 7.99 Euro) fasst die spannendsten Schlusskonferenzen der berühmt-berüchtigten Bundesliga-Hörfunk-Konferenzen der letzten 50 Jahre zusammen. So weit, so gut, so schlecht. Denn leider ist das Büchlein gerade mal nur 220 Seiten dünn. Und das Buch ist klein, und die Seiten kurz. Viel zu wenig für mich mit einem Durchschnittslesetempo von 130 Seiten/Stunde + – x (Richtgeschwindigkeit) und manchmal auch mehr. Wenn ich mal drin bin im Thema. Wenn mich mal wirklich was interessiert :-).  Ja, und es werden gerade mal  nur lausige zehn der 50 Saisons dieser wunderschönen Liga dokumentiert. Man bekommt tatsächlich nur knappe zehn Mal die Schlussviertelstunde, oder ein wenig mehr, der berühmten Hörfunkkonferenzen geboten. Da war wohl mal wieder Sparzwang angesagt,Verlag! Das ist mir zu wenig. Da fehlt einiges. Z.B. Ballacks Eigentortragödie 2000 in Unterhaching (Endstand 0-2) und Bayerns aus diesem Vizekusen-Präsent folgender vollkommen unerwarteter Meistertriumph zuhause gegen Werder (3-1).  Um nur mal ein Beispiel zu nennen.

Aber wer wie ich die 50 überschritten hat und sich mit diesem schmalen Snack gerne erinnern mag an mehr oder weniger  glorreiche Zeiten von Clubs aus Bochum-Wattenscheid, Wolfsburg, Duisburg-Meiderich, Aachen, Essen, Krefeld oder Münster, dem sei hier von Herzen ein gut zweistündiges Retro-Lese-Abenteuer gegönnt, zum insgesamt soeben gaaanz knapp noch fairen Preis von  7,99 Euro (ist ja nur das Abtippen von Protokollen gewesen, plus Vorwort von Sabine T., plus plus), entspricht exakt 27,53 Cent pro Seite.

Schon aktueller und informeller kommt PEP GUARDIOLA – SO GEHT MODERNER FUSSBALL (Riva Verlag, 9,99 Euro) daher. Über 190 großflächigere Seiten hinweg wird Guardiolas Werdegang durchleuchtet, und da gibt es durchaus erhellende bis ergiebige Interviews mit Weggefährten wie Juan Manuel Lillo, Barca-Insider wie José Maria Fusté, Spanien-Kenner und – Experten wie Udo Lattek (na ja), Bernd Schuster und auch, äh, den ehemaligen DFB-Sportdirektor und aktuellen Neuwerderaner Robin Dutt (da hätte ich lieber Johan Cruyff gehört, oder Paul Breitner, van Gaal, oder Xavi, Iniesta, oder oder). Auch weniger angenehme oder harte Charakterzüge des heiligen Pep, wie z.B. das bei seinem Trainerdebüt in Barcelonas erster Mannschaft 2008 seiner Konzeption und Vorstellung geschuldete absolut bedingungslose Absägen verdienter Altstars wie Deco, Ronaldinho, Eto-0 (Erfolg gab ihm recht, wir wissen das, aber heiligt Erfolg jedes Mittel?) sowie seine offensichtliche und scheinbar recht unkritische Nähe zu pseudodemokratischen Staatsgebilden wie Katar, fließen durchaus wertend in das dankenswerterweise nicht nur himmelweiß positiv polierte Gesamtbild mit ein.

Pep GuardiolaInsgesamt kann man dieses Buch deshalb  doch empfehlen, auch, weil es indirekt das eine oder andere treffende Schlaglicht auf die immer wichtiger werdende – und sich dessen ja auch manchmal allzu platt bewusst seiende – alte Tante Bundesliga wirft. So wird am Rande deutlich, wie früh PG einen ernsthaften Kontakt zu den Münchner Bayern bereits gesucht und ein mehr als kurzfristiges Engagement beim deutschen Triple-Sieger seinerseits aktiv vorangetrieben hat. Kann aber auch, so lassen es die Autoren Dino Reisner und Daniel Martinez dezent durchschimmern, durchaus sein, dass dahinter ein verborgener peppiger Masterplan steckt, der Guardiola über seine engen, ja intimen Verbindungen innerhalb des FIFA-Katar-Foundation-Barca-Kosmos ab ungefähr 2016 (so lange reicht sein vertragliches Engagement beim FC Bayern, vorerst – wenn er denn so lange bleibt, man weiß ja nie) in die Nähe der Fifa oder von Katar oder erneut von Barca führen wird – seiner unumstößlichen Heimat.

München wird Pep Guardiolas erster Meilenstein im Rahmen seiner Auslandsengagements als Trainer sein. Dies birgt auch Gefahren, für beide Seiten. Doch ein derart stark reflektierter, ja philosophischer Mensch wie Pep Guardiola, mit durchaus tiefem Sinn für soziales Engagement, Teamgeist, Familiensinn und Vereinstreue, wird längst seinen mittelfristigen Werdegang geplant haben. München wird aber auch zum Prüfstein seines Charakters. Wie lange möchte er dort wirklich bleiben, wie sehr möchte er diesem Club wirklich „helfen“? Wie gut kann er das ihm fremde Umfeld mit einbinden, „mitnehmen“? Wie gut kann er nach oben, unten, zur Seite, zu den Medien hin kommunizieren – auch über einen längeren Zeitraum von sagen wir zwei, drei Jahren hinweg – auch wenn es am Anfang nicht allzu berauschend laufen sollte (davon ist durchaus mal auszugehen nach diesem Triple-Monster-Dingens)?  Kommt er besser damit zurecht als der am Ende nur noch autoritäre, aggressive, beratungsresistente Van Gaal? Guardiola wird durchaus auch wissen, dass man, egal wer man ist, sein Leben nicht zur Gänze vorausplanen kann und dass man vor Rückschlägen nicht gefeit ist. José Mourinho, so wie er sich aktuell in Chelsea vorgestellt hat, weiß es zumindest heute nun ein bisschen . Nach dem Desaster bei Real ist Mou, der mit dem FC Porto ja bereits 2004 erstmals Champions League-Sieger geworden war, Pep Guardiola, was die Trainerkarriere betrifft, derzeit fünf Jahre bis ein volles Jahrzehnt voraus.

José Mourinho hat Pep Guardiola die damals durchaus riskante Entscheidung der Barca-Bosse,  den Erstligatrainernovizen Guardiola und nicht den Chelsea-gestählten „The Special One“  2008 bei Barca als Trainer mit Perspektive zu installieren, noch immer nicht verziehen – so starrsinnig und charakterlos diese nachtragende Haltung auch  sein mag. Und obwohl danach ja zwei sehr erfolgreiche Mourinho- Jahre bei Inter kamen – mit dem erneuten Champions League-Triumph 2010. Gegen die Bayern. In Madrid. Ja, die Fußballwelt ist noch kleiner als es die „normale“ sowieso schon ist…

Am 30. August werden sich beide, Mou und Pep,  in diesem Jahr – wohl schneller als gedacht, kleine Fußball-Welt  – erstmals gegenübertreten, auf neutralen Gebiet in Prag, jedoch gleich im Rahmen eines äußerst prestigeträchtigen Duells. Es geht um den europäischen Supercup. Hier Bayern, da Chelsea. Ein Schelm, wer böses bei dieser Trainer-Club-Paarung denkt, die uns in den nächsten zwei, drei Jahren auf höchster europäischer Ebene noch öfter blühen könnte.

Aber bis dahin wird noch der ein oder andere Film, das ein oder andere Büchlein, Blöggchen, Artikelchen zu rezensieren sein, das eine oder andere Spiel der vergangenen Saison erneut zu gucken sein.. . oder sonstiger „Fußball-Content“. Wir freuen uns beispielsweise bereits auf den Director´s Cut von Aljoscha Pauses neuem Film TRAINER, der ja in der schon recht ansprechenden 90-Minuten-Standardlängen-Würg-Schlagmichtot-machalle gleich-Fernseh-Format o heilig´s Blechle- Version beim WDR gelaufen ist und der hier Anfang Juli sogar, man höre und staune,  in einem zweitligatauglichen Kölner Kino laufen wird.

Also nicht nur in der so bedeutsamen Erstligahauptstadt Berlin.

Andreas Bach